21 Nov 5 Fragen an Steuerberater Prof. Dr. Christoph Juhn
Die Startup- und Unternehmer-Szene hat einiges zu bieten neben innovativen Startups, kreativen Coworking Spaces, auch Acceleratoren und spannende Unternehmerpersönlichkeiten. Damit ihr einen kleinen Einblick bekommt, was und wen es alles gibt, stellen wir euch immer wieder coole Persönlichkeiten aus der Szene vor.
DAS INTERVIEW/
Hallo, schön, dass Du die Zeit gefunden hast, für uns einmal Rede und Antwort zu stehen. Zuallererst stell Dich einfach kurz vor, wer bist Du und was machst Du?
Homeoffice, Workation, remote arbeiten – im Grunde ist das seit Corona Standard, auch wenn in manchen Unternehmen eher ein Rückwärtstrend erkennbar ist. Was genau ist eigentlich eine Workation?
Auch wenn das englische Kunstwort ‚Workation‘ (work + vacation) für viele Menschen noch wie die Vereinigung absoluter Gegensätze scheint, findet eine wachsende Anzahl von Beschäftigten Gefallen an der Idee, Job und Ferien miteinander zu verbinden. Grundsätzlich handelt es sich bei Workation um eine spezielle Form des mobilen Arbeitens. Diese bedarf allerdings ein bisschen Vorarbeit. Wenn arbeitswütige Sommerfrischler ihren Job im Anschluss an den zweiwöchigen Mittelmeertrip im Strandhotel ausüben wollen, brauchen sie grundsätzlich zunächst die Zustimmung des Unternehmens. Lehnen Chefs ab, können Beschäftigte nicht darauf pochen. Ein allgemeines Recht auf mobiles Arbeiten oder Homeoffice existiert aktuell weder für das In- noch für das Ausland. Wer einfach so und ohne Rücksprache den Urlaubs- zum Arbeitsort macht, dem drohen weitreichende arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung.
Im Ausland arbeiten klingt ja für viele verlockend, vor allem wenn sich dadurch der Urlaub verlängern lässt, wenn man ein paar Tage zum Arbeiten dranhängt. Aber wie funktioniert das? Was muss ich beachten?
Obwohl Mitarbeitende zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf Workation haben, existieren in zahlreichen Firmen bereits standardisierte Prozesse und Guidelines. Darüber kann etwa die jeweilige Personalabteilung Auskunft geben. Wie eine PwC-Studie zeigt, gilt es allerdings noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten – insbesondere was Arbeits-, Aufenthalts- und Sozialversicherungsfragen, aber auch steuerrechtliche Aspekte betrifft.
Vor allem der Ort des ‚Arbeitsurlaubs‘ spielt eine entscheidende Rolle. Nicht für jedes Unternehmen kommt Mobile Working von überall auf der Welt infrage. Anders als bei normalen Dienstreisen beschränken zahlreiche Firmen die Workation-Destination auf die Europäische Union oder Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums. Der Hauptgrund hierfür ist denkbar einfach: Aufenthalte in sogenannten Drittstaaten benötigen häufig eine Aufenthaltsgenehmigung. Zwar existieren in einigen Ländern Workation- oder Remote-Work-Visa, allerdings ist die Antragstellung für einen Aufenthaltstitel beziehungsweise eine Arbeitserlaubnis nicht nur langwierig, sondern oft auch mit Extrakosten verbunden.
Innerhalb der EU genießen alle Bürger hingegen eine Niederlassungsfreiheit, wodurch sie in jedem der 27 Mitgliedstaaten sesshaft werden und arbeiten können. Das macht den Prozess sowohl für die verantwortliche Personalabteilung als auch für die ‚Workationeers‘ insgesamt einfacher. In der Regel reichen hier eine Anmeldung beim Ausländeramt beziehungsweise bei der Gemeinde. Außerdem braucht man eine A1-Bescheinigung, die Angestellte in ihren Arbeitsferien immer mit sich führen sollten. Denn mit Letzterem weisen sie nach, dass sie während ihrer Workaway-Tätigkeit über ihr Heimatland sozialversichert sind, und müssen keine doppelten Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
Ausnahmen bestätigen allerdings auch in der Bürokratie die Regel. So verlangt beispielsweise Belgiens Arbeitnehmerentsendegesetz eine sogenannte LIMOSA-Meldung für alle, die dort temporär arbeiten. Das Online-System erfasst detaillierte Informationen über den Arbeitnehmer, den Arbeitgeber, die Art der Tätigkeit und die Dauer des Aufenthaltes. Ziel ist es vor allem, Schwarzarbeit zu verhindern und den sozialen Schutz der entsandten Beschäftigten zu gewährleisten, was mit der ordnungsgemäßen Anwendung des belgischen Arbeits- und Sozialrechts einhergeht.
Und wenn ich mein Homeoffice ins Ausland verlagern möchte? Was gilt dann? Gibt es da Einschränkungen? Was gilt in Bezug auf Steuern, Krankenversicherung etc.?
Wer remote aus dem Ausland arbeiten möchte, muss bei der Dauer des Aufenthaltes darauf achten, Obergrenzen nicht zu überschreiten. Das hat nicht zuletzt auch steuerliche Gründe. Arbeiten aus dem Ausland kann sowohl eine Einkommensteuerpflicht des Arbeitnehmers als auch eine Lohnsteuerverpflichtung des Arbeitgebers im Ausland auslösen. Ob zusätzliche Abgaben an die Finanzbehörde des Gastlands abgeführt werden müssen, hängt vorrangig davon ab, wie lange die Tätigkeit dort ausgeübt wird. Für gewöhnlich können in Deutschland steuerlich ansässige Arbeitnehmende bis zu 183 Tage im Jahr remote auf Reisen arbeiten, ohne dass es sich steuerlich auswirkt. Das hängt auch von der individuellen Einschätzung des jeweiligen Finanzamts ab.
Generell gilt aber, dass hierdurch eine Steuerpflicht im In- und Ausland entsteht. Menschen, die mehr als die Hälfte des Jahres mobil in der Welt tätig sind, gelten auch im Gastland als steuerlich ansässig. Dadurch entsteht die doppelte oder gar multiple Erklärungspflicht. In Deutschland bleibt man hingegen aufgrund des hiesigen Wohnsitzes steuerpflichtig. Die genaue Höhe der Abgaben ist dabei individuell und unter Berücksichtigung des jeweiligen Rechts sowie der einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen zu klären.
Bei uns gibt es viele Freelancer, die gerne ortsunabhängig arbeiten und auch immer wieder gern Co-Working-Spaces im Ausland nutzen. Für Selbstständige ist ortsunabhängig zu arbeiten ja eigentlich weniger ein Problem. Man ist schließlich der eigene Chef. Doch sind die Richtlinien hier anders geartet oder muss ich die 183-Tage-Regel auch einhalten?
Als international anerkennte Grenze greift die 183-Tage-Regel auch für Selbstständige. Sie gibt ganz allgemein Auskunft darüber, wo ein Mensch steuerlich ansässig ist, auch wenn er im Gastland keinen offiziellen Wohnsitz hat. Dies gilt auch im Hinblick auf den Ort der Geschäftsführung beziehungsweise der Ausübung der geschäftlichen Tätigkeit. Daher ist es ratsam, sich mit den steuerrechtlichen Regelungen des Zielortes vertraut zu machen. Und man sollte das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und diesem Land prüfen, um Überraschungen zu vermeiden. Ein Steuerberater kann hier helfen, die spezifische Situation besser zu verstehen und die optimalen Schritte zu planen.
Und arbeitest du auch gerne mal vom Ausland aus oder nutzt die Vorteile einer Workation?
Wir haben in diesem Jahr unter anderem einen Standort in Dubai eröffnet. Für den Aufbau ist zwar hauptsächlich mein Kollege Rudi Schneider zuständig, da sich Dubai aber in den letzten Jahren einen Ruf erworben hat, der Unternehmergeist weckt, genieße ich es ab und an auch selbst, vom Persischen Golf aus zu arbeiten. Unser neuer Standort ist nicht nur ein wichtiger Schritt, um unsere Mandanten noch besser beraten zu können. Wir wollen ihnen dadurch auch neue Marktchancen eröffnen.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke und das Interview mit Dir.
Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor an der FOM Hochschule Bonn, Steuerberater und
geschäftsführender Partner bei der JUHN Partner GmbH. JUHN Partner ist eine Steuerkanzlei, die sich besonders auf die Steuerberatung von Kapital- und Personengesellschaften spezialisiert hat. Ihr Ziel: steueroptimierte Gesamtlösungen für Unternehmen, Gesellschafter und Geschäftsführer. Die Kanzlei punktet mit Standorten in Bonn, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln und Dubai. Das interdisziplinäre 60-köpfiges Team rund um den Gründer betreut Mandanten sowohl bei der Steuergestaltung als auch in der laufenden Beratung.Mehr zur Steuerkanzlei und Prof. Dr. Christoph Juhn auf der Webseite.
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