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5 Fragen an Programmbereichsleiter des RKW Kompetenzzentrums Dr. Matthias Wallisch

Die Startup- und Unternehmer-Szene hat einiges zu bieten neben innovativen Startups, kreativen Coworking Spaces, auch Acceleratoren und spannende Unternehmerpersönlichkeiten. Damit ihr einen kleinen Einblick bekommt, was und wen es alles gibt, stellen wir euch immer wieder coole Persönlichkeiten aus der Szene vor.

Dieses Mal haben wir Dr. Matthias Wallisch vom RKW Kompetenzzentrum interviewt. Er ist mit verantwortlich für den GEM Deutschland, den Global Entrepreneurship Monitor Deutschland, der die Gründungsaktivitäten und -einstellungen in Deutschland jährlich erhebt. Der neue Jahresbericht wurde am 28. Juni 2024 veröffentlicht.
 

DAS INTERVIEW/

 
Hallo Matthias, schön, dass Du die Zeit gefunden hast, für uns einmal Rede und Antwort zu stehen. Zuallererst stell Dich einfach kurz vor, wer bist Du und was machst Du?

Ich bin Programmbereichsleiter im RKW Kompetenzzentrum. Gemeinsam mit meinem Team unterstütze ich die Gestaltung von regionalen Ökosystemen für Gründungen und Startups in ganz Deutschland. Im Fokus stehen dabei insbesondere Kooperationen zwischen etablierten Unternehmen und innovativen Gründungen. Ich habe an der LMU München Wirtschaftsgeographie studiert und zum Thema Business Angels promoviert. Seit 2017 bin ich außerdem Mitglied im Team Germany des Global Entrepreneurship Monitor. Ende Juni wurde der neue Länderbericht veröffentlicht. Die Datenbasis dafür ist eine repräsentative Bevölkerungsbefragung mit mehreren tausend Interviews in Kombination mit der Befragung von über 70 Expertinnen und Experten.

 
Genau, der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ist seit 28. Juni veröffentlicht und gibt Aufschluss über aktuelle Gründerinnen und Gründer. Was waren für Dich die positiven Erkenntnisse zum Gründungsstandort Deutschland? Was hat Dich überrascht? 

Bemerkenswert ist das gestiegene Niveau der Gründungsaktivitäten seit 2019 mit lediglich einem schwachen Wert im ersten Pandemiejahr. Derzeit scheint sich die Gründungsquote in Deutschland bei Werten zwischen 7 und 8 Prozent einzupendeln. Für den GEM-Länderbericht 23/24 haben wir eine Gründungsquote von 7,7 Prozent berechnet. Im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt der letzten 20 Jahre ein überdurchschnittlicher Wert, denn vor 2019 wurde jeweils nur eine signifikant niedrigere Quote von etwa 5 Prozent erreicht.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Definition der Gründungsquote im Rahmen des GEM: es handelt sich um den Prozentanteil derjenigen 18–64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen. Diese unterscheidet sich von anderen Studien, wie beispielsweise dem KfW-Gründungsmonitor. Hier werden Personen als Gründerinnen und Gründer erfasst, die innerhalb von 12 Monaten vor dem Befragungszeitpunkt eine selbstständige Tätigkeit begonnen haben. Demzufolge sind die Quoten bei den Kollegen von der KfW deutlich niedriger. Der neue Bericht von der KfW ist ebenfalls erst vor kurzem erschienen. Sehr lesenswert.

Das ist ja ein GLOBAL Entrepreneurship Monitor. Was sagen die Zahlen im globalen Kontext aus, wie ist Deutschland da einzuordnen? Kann Deutschland ein attraktives Gründungsökosystem bieten?

Wenn die räumliche Bezugsgröße ein Land ist, würde ich eher von Rahmenbedingungen als von einem Gründungsökosystem sprechen. Denn Startup-Ökosysteme oder Gründungsökosysteme haben eine regionale Ausprägung und keine nationale. Einzelne Ökosysteme werden dann von gründungsbezogenen Rahmenbedingungen beeinflusst.

Für Deutschland werden öffentliche Förderprogramme aber auch die Beratungslandschaft für Gründungen sehr positiv bewertet. Eher negativ fallen die Einschätzungen für gesellschaftliche Normen und Werte, Steuern und Regulierung sowie die schulische Gründungsausbildung aus. Finanzierungsmöglichkeiten werden weder gut noch schlecht bewertet, sondern eher mittelmäßig. Das mag darin liegen, dass in Deutschland insbesondere in den frühen Phasen durchaus ein breites Spektrum an Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung steht, in der kapitalintensiven Wachstumsphase jedoch nach wie vor Lücken, insbesondere für skalierende Startups, vorhanden sind.

Im internationalen Vergleich sind die Rahmenbedingungen eher durchschnittlich zu bewerten. Länder wie Estland oder die Niederlande werden deutlich besser bewertet, auch Frankreich schneidet etwas besser ab. Südeuropäische Länder wie Spanien, Griechenland oder Italien werden hingegen als Gründungsstandort schlechter bewertet.

 

Insgesamt lässt sich ja über den Gesamtzeitraum der Erhebung und vor allem auch für die letzten Jahre ein positiver Trend in Sachen Gründungen feststellen. Es wird wieder mehr gegründet. Wie geht das mit der aktuellen Gesamtsituation und der herrschenden Unsicherheit zusammen? Viele fühlen sich ja durch Klimawandel, die aktuellen Kriege, Corona, aber jetzt auch den Rechtsruck in der Politik und das nicht nur in Deutschland, insgesamt im Hinblick auf die Zukunft verunsichert – vor allem auch junge Menschen.

Es ist schwer, klare Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Unsicherheit und Gründungsaktivitäten zu erkennen. Die Menschen in Israel leben beispielsweise seit Jahrzehnten mit einer großen Unsicherheit und die Gründungsquote war tendenziell im internationalen Vergleich eher überdurchschnittlich hoch. Die israelische Startup-Szene genießt weltweite Anerkennung. In Deutschland führen wirtschaftliche Boom-Phasen nicht unbedingt zu einem Anstieg der Gründungsaktivitäten, denn dann gibt es auch viele spannende Jobs in etablierten Unternehmen mit attraktiven Gehältern, die man als Gründerin oder Gründer nicht sofort erreichen kann. Spannend ist die Beobachtung, dass die Gründungsaktivitäten während der Pandemie nach dem ersten Jahr deutlich angestiegen sind. Im Zuge der Krise haben sich offensichtlich neue Gründungschancen ergeben. Mit Blick auf die politische Großwetterlage ist es wichtig auf die Bedeutung von Gründungen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte hinzuweisen: In Deutschland lebende Migranten gründen häufiger als Einheimische. Je nach Definition gehören etwa ein Viertel der Gründenden zu dieser Gruppe. Zu den wichtigsten Herkunftsländern zählen unter anderem die Türkei, Italien, Polen und Rumänien. Gründende mit ausländischer Herkunft sind außerdem etwas häufiger im Export tätig als einheimische Gründerinnen und Gründer.

Wenn es um einen Rechtsruck in der Politik und in Europa geht, dann blickt man fast reflexartig nach Italien: Am 22. Oktober 2022 wurde Giorgia Meloni italienische Ministerpräsidentin. Sie ist Vorsitzende der rechtskonservativen Partei Fratelli d’Italia. Seit ihrem Amtsantritt wurde für das Referenzjahr 2023 bisher einmal im Rahmen des GEM eine Gründungsquote erfasst. Diese ist mit über 8 Prozent nahezu doppelt so hoch wie das langjährige Mittel der letzten 20 Jahre. Rückschlüsse für die Zukunft oder auch für andere Länder lassen sich hieraus jedoch nicht ableiten.

 
Ein Thema, das immer noch und auch im weltweiten Vergleich aktuell bleibt, ist die Gender Gap. Es gründen deutlich weniger Frauen (5,9%) als Männer (9,3%). Was muss sich für Frauen verbessern, dass diese mehr gründen? Was fehlt an Angeboten oder Unterstützung, damit sich die Situation für Frauen hier ändert?

Es bestehen nach wie vor Unterschiede in der Gründungshäufigkeit zwischen Frauen und Männern, wobei sich eine Annäherung der Quoten abzeichnet. In unserem aktuellen Datensatz erfolgen 38 Prozent der Gründungen durch Frauen und 62 Prozent der Gründungen durch Männer. Anhand der Zahlen seit dem Jahr 2001 lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten: Zu Beginn der Nuller Jahre kamen auf eine Gründung durch eine Frau zwei Gründungen durch Männer (Faktor 2). Heute beträgt der Faktor nur noch 1,6. Gründungsaktivitäten von Frauen unterliegen im Zeitverlauf geringeren Schwankungen als Gründungsaktivitäten von Männern. Das Gründungsverhalten der Männer ist offensichtlich stärker von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflüssen abhängig. Dies zeigt sich in einer Annäherung der Quoten in Krisenzeiten. Während der Finanzkrise (2008 und 2009) und dem ersten Jahr der Corona-Pandemie waren Gründungen durch Männer deutlich stärker rückläufig, als die von Frauen. Die Gender-Lücke war in diesen Phasen geringer als im langjährigen Durchschnitt. Spannend ist der internationale Vergleich: Auch in den meisten anderen europäischen Ländern gründen Männer häufiger als Frauen, jedoch sind die Unterschiede im Durchschnitt weniger stark ausgeprägt.

Die vermeintlichen Heilmittel für die Auflösung des chronischen Ungleichgewichts der Gründungsaktivitäten zwischen Männern und Frauen sind seit langem bekannt. Zu diesen gehören unter anderem der Ausbau von Betreuungs- und Unterstützungsangeboten,
Förderung von Mädchen und Frauen speziell in den MINT- und Wirtschaftswissenschaften und mehr weibliche Rollenvorbilder, die die Vielfalt und Diversität von weiblichem Unternehmertum prominent machen. Gerade im Startup-Bereich haben die vielen
Anstrengungen bisher jedoch noch nicht zum gewünschten Ergebnis geführt.
Dr. Matthias Wallisch vom RKW Kompetenzzentrum im Interview

Copyright Johanna Karl

 
Was sind Handlungsempfehlungen, die das RKW auf Grundlage des aktuellen GEM, rausgibt? Wo ist hier Handlungsbedarf für die Gründerszene? Und rücken Frauen da vielleicht auch endlich mehr in den Fokus durch entsprechende Empfehlungen?

In unserem aktuellen Bericht konzentrieren wir uns auf Handlungsempfehlungen zur Stärkung der Gründungsaktivitäten von jungen Personen, Menschen mit Einwanderungsgeschichte sowie von Frauen. Aus unserer Sicht spielt insbesondere die richtige Ansprache von potenziellen Gründerinnen eine wichtige Rolle. Hierzu läuft bei uns im RKW derzeit ein Forschungsprojekt. Die Ergebnisse werden wir erstmals im Herbst auf einem Event hier in Frankfurt präsentieren. Weitere Infos gibt es schon bald. Außerdem zeigen unsere Daten, dass die Bereitstellung von Kapital durch Privatpersonen in den vergangenen Jahren tendenziell rückläufig ist. Deshalb empfehlen wir eine Verbesserung von Rahmenbedingungen mit entsprechenden Anreizstrukturen, die sowohl zusätzliche Investitionen von Business Angels fördern als auch risikoausgleichend wirken.

 
 
 
 
Du gibst ja auch Workshops zum Aufbau und Gelingen von Gründungsökosystemen. Wo siehst Du da aktuell Frankfurt im Ranking? Was läuft gut, was muss sich noch verbessern?

Rankings von Ökosystemen sind einerseits sehr spannend und erzeugen deshalb viel Aufmerksamkeit. Andererseits sind Ranglisten nicht zielführend, da die Unterschiede zwischen den Regionen sehr groß sind. In unseren Workshops wünschen sich viele Wirtschaftsförderer und Unterstützende von Gründungen genauso zu sein wie andere erfolgreiche Regionen. Man schaut oft nach München oder nach Berlin. Manchmal sogar ins Silicon Valley. Das ist inspirierend, führt aber nicht selten zu irreführenden
Schlussfolgerungen, um Startup-Aktivitäten zu beleben. Zum Beispiel gibt es den sogenannten „Mythos der Quantität“ mit folgender Logik: Wir brauchen eine bessere Infrastruktur, mehr Events, mehr Geld, mehr Beratungen, mehr Forschungsbudget, größere Netzwerke, mehr Investorinnen, mehr Maker Spaces …. und dann haben wir auch mehr Gründungen.
Warum ist das problematisch: Es erfolgt eine Projizierung von vermeintlichen Zusammenhängen aus Regionen mit einer anderen Ressourcenausstattung und einem anderem Entwicklungsstand auf die eigene Region. Das wird der Komplexität von Ökosystemen nicht gerecht. Die Frage „Wie können wir mehr sein wie ……. z.B. München?“ ist deshalb wenig hilfreich.
Folgende Fragen sind besser: Wo stehen wir jetzt? Wo wollen wir hin? Wie können wir unser Ziel erreichen? Was funktioniert schon gut und was klappt noch nicht? Wie können wir die Aktivitäten unterstützen, die in unserer Region erfolgsversprechend sind? Ich denke, dass die Region Frankfurt und auch das Bundesland Hessen in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht hat. Von Seiten der Politik und der Wirtschaft sollte nun ein Technologiefeld identifiziert werden, in dem die Region eine europäische oder besser sogar eine weltweite Spitzenposition erreichen möchte. Das schafft eine langfristige Orientierung für die Akteure im Gründungsökosystem und lenkt Investitionen und Talente in die entsprechenden Entwicklungspfade.

 
Vielen Dank für das Interview mit Dir und vor allem für die spannenden Einblicke in das Gründungsökosystem Frankfurt und auch den Blick auf Deutschland als Gründungsstandort durch den GEM.


Dr. Matthias Wallisch bei MEET/N/WORK

Copyright Johanna Karl

 

Dr. Matthias Wallisch ist als Programmbereichsleiter des RKW Kompetenzzentrums für Gründungsökosysteme zuständig. Dabei kennt er sich mit regionalen Ökosystemen für Gründende und Startups in ganz Deutschland aus und untersucht diese. Im Team des GEM ist er zudem mitverantwortlich für die Erhebung zu Gründungsaktivitäten und -einstellungen in Deutschland. Jährlich werden diese untersucht und mittels Befragungen ermittelt, um daraus eine Gesamtstimmung für die Gründungslandschaft im Land und auch im internationalen Vergleich ableiten zu können. 

Mehr zum Global Entrepreneurship Monitor 2023/24 gibt es auf deren Webseite. 

 

Redaktion
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